1. Wie würden Sie „Kreativität“ definieren und wie entsteht sie?
Kreativität ist ein „spontan auftretender Wunsch, sich auszudrücken“. „Spontaneität“ ist dabei besonders wichtig. Voraussetzung für ein bedeutendes kreatives Werk ist Originalität, die aus Spontaneität entsteht. Als kreative Person muss man zunächst vorgefasste Ideen und Stereotype hinter sich lassen. Dann kommt es darauf an, seine Beobachtungsgabe zu schulen. Und als Drittes ist es wichtig, sich eine unkonventionelle Denkweise anzutrainieren.
2. Fällt es Ihnen leicht, Inspiration zu finden, und welches sind die außergewöhnlichsten Orte, die Sie inspiriert haben?
Inspiration scheint etwas Leichtes zu sein, aber tatsächlich zeigt sie sich erst nach intensiver Suche und Beschäftigung mit einer Sache. Oft offenbaren sich entscheidende Inspirationsquellen in meinen Träumen, oder an der Grenze zwischen Wachheit und Traum, und erweisen sich als Antwort auf Fragen, die ich lange Zeit mit mir herumgetragen habe. Man sollte viele Fragen haben. Wenn man sich diese Fragen im wachen Zustand immer und immer wieder stellt, findet man die Antwort irgendwann im Unterbewussten.
3. Sie haben an der Universität Philosophie studiert – gibt es für Sie Parallelen zwischen der Philosophie und dem Kino? Und wenn ja, welche Rolle spielt die Philosophie in Ihrer Arbeit als Regisseur?
Es ist wichtig, sich mit den Gedanken bedeutender Philosophen und Denkschulen zu befassen. Vor allem kommt es aber auf den folgenden Ansatz an, den alle Philosophen gemeinsam haben: Man muss die Dinge gründlich durchdenken, egal worum es geht. Man muss die Oberfläche verlassen und zum Kern einer Sache vordringen und dabei die Grenzen der Logik verschieben. Es ist ein Irrglaube, dass Kunst und Logik nichts miteinander zu tun haben. Die Vorstellung, dass die Schöpfung ein Prozess ist, der unlogischen Inspirationen folgt, ist einfach falsch. Ganz gleich, ob es um Mode oder um Kino geht, Logik ist immer die Basis, von der alles ausgeht. Natürlich geht es um eine ursprüngliche logische Entwicklung. Man darf nicht vergessen, dass Dostojewski genauso ein Philosoph war wie Nietzsche ein Künstler.
4. Viele Bereiche der koreanischen Kultur – angefangen bei der Musik über das Fernsehen bis hin zum Film – haben weltweit enorme Popularität erlangt. Was zeichnet Ihrer Meinung nach die koreanische Kreativität aus und wodurch wird sie zu diesem globalen Phänomen?
Die aktuelle Generation koreanischer Kreativschaffender ist durch eine asiatische Herkunft und westliche Bildung geprägt. Ich bin in einem armen Land zur Welt gekommen und lebe nun in einem reichen Land. Meine Eltern haben den Bürgerkrieg, die Teilung, die Militärdiktatur und die Demokratiebewegung unmittelbar miterlebt. Aus diesem Grund gibt es für uns nichts, das wir nicht überwinden können. Ich denke, dass alles passieren kann und wir in der Lage sind, es zu begreifen. Die Bandbreite und die Dynamik von Emotionen ist unglaublich groß.
5. Sie zählen in diesem Jahr zu den Preisträgern der LACMA Art + Film Gala. Wie denken Sie über das Verhältnis von Kunst und Film? Sind Filme für Sie eine Kunstform oder werden sie lediglich von Kunst inspiriert?
In vielen Kunstwerken lassen sich Narrative und Dramatik entdecken, ist es nicht so? Bei Filmen handelt es sich um ein narratives künstlerisches Medium, weswegen ich die Unterscheidung zwischen künstlerischen und nicht künstlerischen Elementen von Filmen für sehr schwierig halte. Ob ich eine Schauspielerin, die in einer bestimmten Szene einen entscheidenden Satz sagt, in einer Nahaufnahme zeige oder in einer Totale, bei der auch die Umgebung sichtbar wird, ist maßgeblich für die Emotionen, die beim Zuschauer hervorgerufen werden. Andere Emotionen bewirken auch eine andere Dramatik. Die Entscheidung für eine Nahaufnahme des Gesichts oder für eine Totale mit einer weit entfernten Person ist daher eine künstlerische Frage, ebenso wie die Ausstattung, die Beleuchtung und die Farbe der Zimmerwände. Wenn ein Regisseur diese künstlerischen Elemente lediglich als Dekoration ansieht, hat er das Medium Film nur zur Hälfte verstanden und beraubt sich seiner künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten.
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