
Sie brachten kürzlich gegenüber der US-amerikanischen Ausgabe der Vogue zum Ausdruck, dass Sie versuchen möchten, hier bei Gucci „eine kleine Revolution“ auszulösen. Was meinen Sie damit?
Ich versuche, die alten Begriffe von Schönheit und Sexyness mit neuem Vokabular, in einer neuen Sprache zu formulieren. Heute geht es um Sinnlichkeit. Ich bin der Meinung, jeder sollte seinen Traum haben, und mir gefällt die Vorstellung von verträumter – warum nicht sogar filmreifer – Romantik.
Im Zusammenhang mit Ihrer Damenmodenschau Herbst/Winter 2015 zitierten Sie den italienischen Philosophen Giorgio Agamben. Inwieweit beeinflusst seine Arbeit Ihre kreative Annäherung?
Ich glaube fest an seine Vorstellung, dass das tiefe Verständnis von Zeitgenossenschaft nicht die perfekte Übereinstimmung mit der Zeit und ihren Anforderungen und Codes voraussetzt. Mit der Kollektion Herbst/Winter wollte ich die Welt genau von dieser Schwelle zwischen „nicht mehr“ und „noch nicht“ aus betrachten.
Damen in Anzügen. Herren in Spitzenhemden. Wodurch wird ihre fließende Annäherung an Bekleidung geleitet?
Wenn Sie heute durch eine Klein- oder Großstadt laufen, bemerken Sie eine Art von wunderbarer Zügellosigkeit, durch die sich nicht nur junge Menschen, sondern Menschen jeden Alters auszeichnen. Meine Kollektionen reflektieren etwas, das uns alle umgibt: ein starker Ausdruck von Freiheit, über das bereits Existierende hinaus, ohne Katalogisierung oder Labeling.
Würden Sie also sagen, dass Mode in erster Linie eine Form von individuellem Ausdruck ist?
Zu Beginn der ersten Kollektion dachte ich nicht über Mode, sondern über Haltung nach; meine Modenschau drehte sich also um Individualität. Unsere Kleidung spiegelt wirklich unser Gefühl, unseren Lifestyle, die Bücher, die wir lesen und unsere Vorzüge wider. Das möchte ich bei Gucci erreichen.
Guccis Geschichte ist lang und weitreichend. Beschreiben Sie uns doch Ihre Beziehung zur Marke und ihren Codes.
Ich bin seit über 13 Jahren in den Designbüros von Gucci tätig; und in meiner neuen Rolle wollte ich einen Sinn für Schönheit entwickeln, der der alten, anmutigen Marke Gucci gebührend ist. Ich liebe es, mit den „Pop-Symbolen“ der Marke, wie dem GG Logo, dem grün-rot-grünen Webstreifen und dem Horsebit, zu arbeiten. Es handelt sich dabei um wertvolle Elemente – Reliquien –, denen ich eine absolut zeitgenössische Attitüde verleihen möchte. Dabei arbeite ich mit verschiedenen Symbolen, die die Vergangenheit mit der Gegenwart verschmelzen lassen. Für mich findet die Zukunft jetzt statt.